Kulturveranstaltungen im Bukarester Schillerhaus

Das Jahr 2023 im Rückblick

Ein Vortrag im Schillerhaus Archivfoto: www.facebook.com/casadeculturafriedrichschiller

Ein ereignisreiches Jahr ist vergangen. Der Kulturhauptstadttitel ist nach 16 Jahren erneut auch einer rumänischen Stadt, nämlich Temeswar/Timișoara, verliehen worden und die örtlichen Behörden, Kulturanstalten und Künstler haben alle damit verbundenen Herausforderungen vorbildhaft bewältigt. Aber auch an anderen Orten fanden abwechslungsreiche Veranstaltungen statt, insbesondere in der Hauptstadt Bukarest, die sich mit einem der landesweit reichsten Angebote an Events rühmt. Rückblickend werden im Folgenden deutschsprachige oder der deutschen Kultur im In- und Ausland gewidmete Ereignisse des Kulturhauses der deutschen Minderheit in Bukarest „Friedrich Schiller“ (Batiștei-Str. Nr. 15) unter der Koordinierung von Aurora Fabritius und der Leitung von Mariana Duliu in Erinnerung gerufen und einige Highlights hervorgehoben.

Obwohl der Anstalt im Herbst 2022 die Abschaffung drohte, ist das Schillerhaus, das den Hauptsitz des Demokratischen Forums der Deutschen in Bukarest beherbergt, mit Hartnäckigkeit auf sein Fortbestehen ausgerichtet. Auf dessen Veranstaltungsprogramm stehen üblicherweise nicht nur deutschsprachige Events oder jene, die der deutschen und rumäniendeutschen Kultur gewidmet sind, sondern auch Vorträge auf Rumänisch, welche historische Persönlichkeiten der früheren kulturellen und politischen Landschaft Rumäniens vorstellen oder Ereignisse aus der Geschichte Rumäniens näher analysieren und kritisch betrachten. Abgerundet wird der allgemeine Veranstaltungskalender des Schillerhauses von Kunstund Fotoausstellungen, Literaturabenden und Filmvorführungen. In der Regel bieten begabte junge Musikerinnen und Musiker, die mit dem Schillerhaus zusammenarbeiten, auch eine angenehme klangliche Untermalung für die Events.

Literatur und Buchvorstellungen

Leseabende und Buchvorstellungen sind Tradition im Schillerhaus. Im Frühjahr 2023 erinnerten sich Freunde von Hans Bergel an den genau ein Jahr davor verstorbenen siebenbürgisch-sächsischen Schriftsteller, Literaturpreisträger und Menschenrechtler durch die Vorstellung des Bandes „Hans Bergel. Immer auf Rumänien zurückblickend“ von Dr. Habil. Cosmin Budeancă als Hommage auf diesen, begleitet von einer anschließenden Diskussion. Das Buch enthält biografische Forschungen auf Basis der Unterlagen des Geheimdienstes Securitate und ein transkribiertes Interview mit Bergel, das Dr. Budeancă 2012 in Gröbenzell bei München geführt hatte. An der Diskussion beteiligten sich Dr. Florian Kührer-Wielach, Leiter des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen in Südosteuropa in München (per Videobotschaft), Dr. Florian Banu, leitender Berater des Nationalrats für die Erforschung der Unterlagen der Securitate CNSAS, Mihai Dragomir, Direktor des Rosenauer Film- und Geschichtsfestivals, Prof. Dr. Mariana Lăzărescu vom Germanistikdepartement der Universität Bukarest und der Autor des Buches.

Im Sommer wurde das deutschrumänische redaktionelle Projekt „Korrespondenz des Königspaares Karl I. und Elisabeth mit Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1866-1885) aus dem Nationalarchiv Rumäniens“ anlässlich der Veröffentlichung des Bandes in rumänischer Übersetzung, „Geliebter Vater und treuester Freund. Korrespondenz des Königs Karl I. mit seinem Vater, Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen (1866-1881)“ vorgestellt. Der Band wurde 2023 von Dr. Silvia Irina Zimmermann übersetzt, illustriert und beim Verlag Corint in Bukarest herausgegeben. Aus diesem Anlass wurde auch die Ausstellung von Illustrationen „Porträts historischer Persönlichkeiten und Zitate aus ihren Briefen“, die ebenfalls die Schriftstellerin Dr. Silvia Irina Zimmermann geschaffen hat, eröffnet.

Im Juni 2023 hielt Dr. Jürgen Henkel, der damals auf Rumänientour zur Präsentation seines neuen Stadtführers „Temeswar – Kultur und Vielfalt im Herzen des Banats“ war, auch im Bukarester Schillerhaus einen Vortrag. Prof. Dr. h. c. Jürgen Henkel ist ein deutscher evangelischer Pfarrer, Forscher, Publizist, Herausgeber und Schriftleiter der Deutsch-Rumänischen Theologischen Bibliothek, Mitbegründer des ökumenischen deutsch-rumänischen Instituts für Theologie, Wissenschaft, Kultur und Dialog „Ex fide lux“ sowie ehemaliger Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS).

Der Stadtführer war pünktlich aus Anlass der Auswahl Temeswars zur vorjährigen europäischen Kulturhauptstadt erschienen. Im deutschen Kunstverlag Josef Fink, im Taschenbuchformat veröffentlicht, enthält der Stadtführer 80 Seiten und 55 Bilder vom Fotografen Martin Eichler, der den ältesten Siebenbürgen-Kalender-Verlag in München betreibt.

Mitte September war das Schillerhaus Gastgeber für einen Leseabend mit dem österreichischen Dichter Udo Kawasser im Rahmen des Internationalen Poesiefestivals in Bukarest (FIPB). Udo Kawasser wirkt als Deutschlehrer, Übersetzer spanischer Literatur, Lyriker und gilt als der Gründer der „Poesiegalerie“, der wichtigsten Online-Plattform für österreichische Lyrik, und des gleichnamigen Literaturfestivals in Österreich. Für seine literarische Errungenschaft wurden Kawasser der Alfred-Kolleritsch-Preis 2020 und der Sacher-Masoch-Preis 2021 verliehen. Den Leseabend bereicherte Udo Kawasser mit der kurzen Vorstellung seiner Gedichtbände „Leibeigene Geschichten. Ein Kanon“, „kleine kubanische grammatik“, „die blaue reise. donau-bosporus“ und seiner Wassertrilogie „Unterm Faulbaum“, „Ache“, „Ried“, sowie mit interessanten Hintergrundinformationen und kleinen Anekdoten zu seinen Poemen.

Ende Oktober wurde das erste rumänische Buch über den Angriff der deutschen Fallschirmjäger auf die griechische Insel Kreta im Mai 1941 im Rahmen der Operation „Merkur“ zur Eroberung Kretas auch im Schillerhaus präsentiert. Das Doku-Drama-Buch „Salt în infern. Fallschirmjäger cuceresc Creta“ (deutsch: Sprung ins Inferno. Fallschirmjäger erobern Kreta) von Gabriel Feher verbindet genaue historische Informationen mit der Dramatik der Handlungen aus der Sicht der Teilnehmer.

Der Autor ist ein ehemaliger militärischer Fallschirmjäger der rumänischen Armee, Fluglinienpilot und Gründer des Vereins „AeRoHistoria“.

Geschichte und Kultur

Die Veranstaltungsreihe des Schillerhauses zur deutschen Kultur und Geschichte wurde vorigen März mit der Vorführung des Dokumentarfilms „Das Leben und Wirken von Hans-Otto Roth“, ein Jahr nach dessen Uraufführung in Hermannstadt, fortgesetzt. Die Film-Dokumentation, erstellt vom Regisseur Wolfgang Köber und Produzenten Eduard Schneider, zeigt die von Roth selbst beschriebene Doppelrolle als Siebenbürger Sachse und treuer Bürger Rumäniens. Historiker aus dem In- und Ausland sowie geistige und weltliche Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien kamen dabei zu Wort und boten einen Einblick in das Wirken des rhetorisch begabten und empathischen Politikers.

Berühmte Filme zweier repräsentativer Regisseure des Neuen Deutschen Films, Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders, wurden im Schillerhaus vorigen Herbst besprochen und Abschnitte daraus im Rahmen des Vortrags „Der Neue Deutsche Film. Selbsterkundung und Reflexion über die Gesellschaft“ der Kulturredakteurin und -analytikerin Alina Mușina letzten Oktober gezeigt.

Im Mai schlugen Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens (DRI) und Dr. Octavian Buda, Professor an der Medizinuniversität „Carol Davila“ eine Brücke über die Zeit durch ihren Vortrag zum Thema „Pandemien: Schluss, Aus, Ende? Historischer Rückblick und interethnische Kommunikation“ anlässlich der Eröffnung der Wanderausstellung „Pandemien und Epidemien der Vergangenheit. Herausforderungen der mehrsprachigen Kommunikation. Einige Skizzen“, die vorher im Geschichtsmuseum gezeigt wurde.

Neue Krankheiten, die sich zu Pandemien oder Epidemien entwickelt haben, hatten und haben einen entscheidenden Einfluss auf Sprachprägung und Sprachwahl. Dieser Aspekt wurde dabei mit Blick auf die ethnischen Minderheiten in Rumänien durch historische Beispiele skizzenartig vorgestellt. Außerdem wurde der Umgang mit Mehrsprachigkeit jüngst im Kontext der Covid-19 Pandemie unter die Lupe genommen.

Mit einem sprachlichen Thema befasste sich zwar auch der Politikwissenschaftler aus München Prof. Dr. h.c. mult. Hans-Peter Niedermeier in seinem Vortrag zum Thema „Medien und die Globalisierung der Sprache“, aber diesmal mit Blick auf die Zukunft. Darin schätzte er die Rolle und Entwicklung der deutschen Sprache ein und warnte vor der Übernahme des Englischen im Sprachgebrauch und deren Folgen.

Als Sujet für sein Fotoprojekt „5 x Deutschland in aller Welt. Im Spiegel der Migration“ wählte der deutsche Fotograf Jörg Müller fünf deutsche Minderheiten auf fünf Kontinenten. Nach der Eröffnung seiner Fotoausstellung im Bukarester Goethe-Institut am Jahresanfang 2023, gastierte diese auch im Schillerhaus für zwei Wochen.

Durch seine Fotos präsentierte Jörg Müller Orte, in denen die Nachfahren von Auswanderern leben, die Deutschland in den letzten paar Jahrhunderten verlassen hatten und er zeigte, dass deutsche Kultur dort in verschiedenen Facetten weiter bestehen bleibt. Das Ausstellungsprojekt thematisierte auch, dass Migration und sprachliche und kulturelle Pluralität kein neues Phänomen seien, sondern dass Menschen schon immer in Bewegung gewesen seien und auch heute Migrationsminderheiten entstehen.

Anfang Oktober wurde auch hier der 33. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands begangen. Die Feier wurde in Zusammenarbeit mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) – Region Altreich organisiert und zu diesem Anlass eröffnete dessen Vorsitzender, Dr. Klaus Fabritius, seine Fotoausstellung „Traditionen“. Diese war als Hommage an die Geschichte der deutschen Traditionen und an die für die Zukunft bewahrten kulturellen Zeugnisse im Bundesland Bayern gedacht. Die Fotos fingen das Oktoberfest in München ein, das eine über 200-jährige Tradition hat.

Seine 66. Gründungsfeier hat das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ mit einem Vortrag über die Fotokunst „Fata Morgana, Mirakel, Magie in Schwarz-Weiß“, der Vorstellung des Bildbandes „Schwarz-Weiß-66“ von Dr. Klaus Fabritius, Ing. Cristian Sencovici und Eduard Duldner und der Vernissage der Fotoausstellung „Erinnerung in Schwarz-Weiß“ begangen. Der Bildband enthält 66 Schwarz-Weiß-Bilder und ist dieses Jahr beim Honterus-Verlag in Hermannstadt/ Sibiu mit der Förderung des Altreichforums am DFDR erschienen.

Im Dezember erregte der Vortrag „Geld, Autos und Reisepässe. Das Pilger-Geschäft und die Auswanderung der Volksdeutschen und Juden aus Rumänien“ von Dr. Florian Banu großes Interesse und warf ein Licht nicht nur auf die Geheimkonten des Diktators Nicolae Ceaușescu und des damaligen rumänischen Geheimdienstes Securitate, wofür die Genehmigung der Auswanderung der Juden und Rumäniendeutschen eine wichtige Finanzierungsquelle darstellte, sondern auch auf die wirtschaftliche Lage des kommunistischen Rumänien und seiner diplomatischen Verhältnisse zu Israel und der Bundesrepublik Deutschland.

Das ereignisreiche Jahr 2023 klang im Schillerhaus mit der Musik des deutschen romantischen Komponisten Johannes Brahms im Rahmen des Konzerts „Dezember mit Brahms“ aus.